Dr. Jana Cink über neuropatische Schmerzen, Diagnosemöglichkeiten und Behandlungen
Nervenschmerzen werden fachsprachlich auch als neuropathische Schmerzen bezeichnet. Der neuropathische Schmerz hat typischerweise eher einen grellen, brennenden, stechenden, meist einschießenden Charakter, ist oft symmetrisch an Händen und Füßen, kann aber auch im Bereich bestimmter Nervenversorgungsgebiete auftreten. Oft kommen die Schmerzen schon bei leichter Berührung vor.
Laut Definition sind neuropathische Schmerzen Syndrome, die nach einer Schädigung oder Erkrankung somatosensorischer Nervenstrukturen im peripheren und/oder zentralen Nervensystem entstehen.
In diesem Punkt unterscheiden sich neuropathische Schmerzen grundsätzlich von allen anderen Schmerzen, zum Beispiel Rücken-, Kopf- oder Tumorschmerzen. Anders als beim „normalen“ Schmerzerleben entstehen die Schmerzimpulse in der Regel nicht mehr im Bereich der Nervenendigungen von Schmerzfasern in den Geweben des Körpers. Verantwortlich ist beim Nervenschmerz eine Aktivierung im Verlauf der Schmerzbahn, die vom Bereich der Nervenschädigung aus bis zum Gehirn reicht.
Chronische neuropathische Schmerzen
Chronische neuropathische Schmerzen sind andauernde oder wiederkehrende Schmerzen, die länger als die normale Genesungszeit für eine Krankheit bzw. Verletzung dauern oder über einen Zeitraum von mehr als drei bis sechs Monaten anhalten können.
Insgesamt geht man davon aus, dass etwa sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung an einem neuropathischen Schmerzsyndrom erkrankt sind.
Für den Nachweis neuropathischer Schmerzen ist es wichtig, Verteilungsmuster, Stärke und Qualität der Schmerzen zu erheben, also beispielsweise ihren brennenden (häufig), bohrenden, einschießenden oder stechenden Charakter. Die Beschwerden treten oft in Ruhe auf und können oft auch durch leichte Berührungsreize ausgelöst werden. So kann eine leichte Berührung der Haut zu Schmerzen führen, die normalerweise keine Schmerzempfindung auslöst. Diese Art von Schmerzen nach leichter Berührung wird auch als Allodynie bezeichnet. Zudem weisen Betroffene häufig eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit nach anderen schmerzauslösenden Reizen auf, die als Hyperalgesie beschrieben wird.
Diagnose von Nervenschmerzen
Die diagnostische Abklärung sollte eine körperliche und klinisch-neurologische Untersuchung mit Prüfung der Hautempfindlichkeit, Reflexe und Muskelkraft beinhalten.
Oft werden darüber hinaus moderne bildgebende Verfahren eingesetzt, zum Beispiel die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT, auch als Kernspintomografie bezeichnet). Sie können eine Nervenschädigung direkt sichtbar machen. Ein Beispiel hierfür ist eine MRT der Lendenwirbelsäule, die zeigt, dass ein Bandscheibenvorfall eine Nervenwurzel bedrängt.
Häufige Auslöser
Der Bandscheibenvorfall ist ein häufiger Auslöser. Eine andere Form der Nervenschädigung liegt bei der sogenannten Polyneuropathie vor. Das Wort „Polyneuropathie“ bedeutet „Erkrankung vieler Nerven“ – beispielsweise im Rahmen einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) – und kann zu einem Brennschmerz der Füße führen. Diese Brennschmerzen und auch Berührungsschmerzen beginnen am Fuß und erweitern sich sockenförmig (können auch an den Händen auftreten). Hier hat der dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel die feinen Nervenendigungen geschädigt.
Auch Nervenquetschungen oder Nervendurchtrennungen im Rahmen von Unfällen oder Operationen – z.B. des Trigeminus-Nervs im Gesicht bei zahnärztlichen Eingriffen – können Nervenschmerzen nach sich ziehen. Gleiches gilt für das bis heute nicht komplett verstandene Krankheitsbild des Phantomschmerzes, bei dem Schmerzen in Gliedmaßen gespürt werden, die durch eine Amputation entfernt wurden.
Schließlich können Nervenschmerzen auch auftreten, wenn Nerven zusammengedrückt werden, was als Engpass-Syndrom bezeichnet wird. Ein häufiges Beispiel ist das Karpaltunnel-Syndrom am Handgelenk. Es geht mit Nervenschmerzen und weiteren Ausfällen wie Taubheitsgefühl und Muskellähmung einher.
Häufigsten Folgeerkrankungen von Nervenschädigungen:
- Postzosterische Neuralgie
- Posttraumatische Neuralgie
- Polyneuropathie
- Trigeminusneuralgie
- HIV-Neuropathie
- Zentral neuropathischer Schmerz nach Schlaganfall
- Zentral neuropathischer Schmerz nach Rückenmarkschädigung
- Zentral neuropathischer Schmerz bei Multipler Sklerose
- CRPS (komplexes regionales Schmerzsyndrom, früher auch als Morbus Sudeck bezeichnet)
Behandlungsmöglichkeiten bei neuropathischen Schmerzen
Therapeutisch infrage kommen trizyklische Antidepressiva (TCA), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), Antikonvulsiva wie Pregabalin und Gabapentin, Opioide der Substanzklassen WHO II und III, Capsaicin-Pflaster sowie als neue mögliche Substanz auch Botulinumtoxin.
Nicht-medikamentöse Verfahren können ergänzend oder in der Akuttherapie zur Überbrückung der Zeit bis zum Anschlagen der sonstigen Medikamente eingesetzt werden. Darüber hinaus können im Einzelfall, je nach Ausprägung der Beschwerden, physikalische Maßnahmen, Ergotherapie und Psychotherapie sinnvoll sein.